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Abgelegt von Christkind in National. 03.05.2024, 12:00h Veröffentlichungsdatum
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Rückblick III - Depression im Norden

Norden ist, wo oben ist. Schaut man auf die Tabelle, scheint das nicht ganz zu stimmen. Hoffenheim: liegt im Süden des Rhein-Neckar-Kreises.
Bayern München: Stern des Südens. Hertha BSC Berlin: zählt aus Solidaritätsgründen zu den Ost-Clubs. Hamburger SV: okay, in diesem Fall ist Platz vier "oben". Somit kann sich Werder Bremen als zweitbeste Kraft im Norden bezeichnen, worüber sie an der Weser aber wenig erfreut sind. Das hat nicht nur den Grund, dass man hinter dem HSV steht, das könnte man noch ertragen, wenn der Abstand nicht sieben Punkte und vier Plätze betragen würde. Platz acht, damit hatte man nicht nur in Bremen nicht gerechnet, damit, dass es hinten nicht läuft und dass die Tore vorne nicht reichen, um nicht auf einem der ersten drei Plätze zu stehen.

Nein-Sager sind sie bei Werder aber nicht, schnell hatte man erkannt, dass Bremen nicht einfach nur schlecht drauf ist, sondern eine Krise hat. Bei der Diagnose blieb es bislang aber auch, Hauptgrund für den weiterhin kritischen Gesundheitszustand des Patienten Werder ist dabei die extremen Schwankungen der Leistung. Schaut man sich die Formkurve der Bremer an, erinnert das eher an das Profil einer Berg-Etappe bei der Tour de France.
Doch tapfere Werder-Fans haben diesen Abschnitt ohne Eigenblutdoping oder der Verschreibung von Asthma-Mitteln hinter sich gelassen, zuletzt gab es zwei Siege gegen Inter Mailand und den VfL Wolfsburg, nach der Winterpause soll es dort weitergehen.
So komisch es klingt, aber ein Problem ist dabei das Tore schießen, bzw. die Regelmäßigkeit dessen. Bremen hat das viert beste Torverhältnis und nur fünf Tore mehr kassiert als die TSG Hoffenheim. Doch während die TSG mittlerweile in so gut wie jedem Spiel trifft und so schon elf Siege verbucht hat, sind Bremer Kantersiege genauso häufig wie Spiele ohne Werder-Treffer. Das scheint auch an den Nerven der Spieler zu zehren, mit Claudio Pizarro und Diego haben sich die beiden besten Torschützen zur Rückrunde freigenommen - in Folge von Tätlichkeiten.

Gut 150 Kilometer trennen die Städte Bremen und Wolfsburg, in der Bundesliga ist der SVW nur zwei Tore besser als die "Wölfe". Felix Magath hat seine Funktion als Trainer-Manager-Geschäftsführer ausgenutzt und den Kader weiter kräftig ausgemistet. Auch wenn nicht alle Spieler einen neuen Arbeitgeber gefunden haben, wurden neue geholt, so stehen nun 36(!) Spieler im VfL-Kader. Zu den wichtigsten Neuzugängen im Sommer zählen die beiden Italiener Andrea Barzagli und Cristian Zaccardo, für die Wolfsburg zusammen 21 Millionen Euro Ablöse zahlte. Billiger war da Zvjezdan Misimovic, der 1. FC Nürnberg bekam für den Regisseur "nur" vier Millionen Euro, fünf Tore und zehn Vorlagen in den 17 Saison-Spielen wiegen diese aber klar auf.
Dazu kommen Neuzugänge aus der letzten Saison, wie Torhüter Benaglio, Marcel Schäfer (die es zu einem schweizerischen bzw. deutschen Nationalspieler gebracht haben) und die beiden Goalgetter Edin Dzeko und Grafite. Letzterer fiel dabei zu Beginn der Saison durch Platzverweise auf, sodass sogar seine Frau zwei Tage nicht mit ihm sprach. Nach 20 Scorerpunkten (15 Tore, 5 Vorlagen) in 15 Spielen dürfte der Haussegen aber wieder gerade gerückt sein.
Das Highlight des Jahres setzte der VfL aber im letzten Spiel 2008. Beim AC Mailand trotzen die Wölfe den Rossonieri ein 2:2 ab und schlossen ihre UEFA-Cup-Gruppe als Erster ab, vor dem 21-maligen internationalen Pokalgewinner. Mit Paris St. Germain wartet nun ein nicht ganz so schwerer Gegner, Werder Bremen muss übrigens gegen Milan ran.

Wir gehen etwa 100 Kilometer westwärts und landen in Hannover. Dort wollte man 2008/2009 die ersten fünf Plätze angreifen, nachdem man in der letzten Saison zeitweise schon Blickkontakt zum UEFA-Cup hatte. Alle wichtigen Spieler wurden gehalten, mit Mario Eggimann, Jan Schlaudraff und Mikael Forssell drei gute Leute geholt. Das Resultat: vier Punkte Vorsprung auf Platz 16, mehr als dreimal so viele Punkte Rückstand auf einen UEFA-Cup-Platz. Der einzige Lichtblick der Saison stellt das 5:1 gegen Schlusslicht Mönchengladbach dar, in der die Offensive um Szabolcs Huszti, Jan Schlaudraff und Mikael Forssell einmal so glänzte, wie sie es sonst nicht ansatzweise tut. Mittlerweile ist Mike Hanke wieder zurück in der Startelf, zwei Tore hat er schon erzielt und Hecking auf ein System mit zwei Stürmern umgestellt. Damit (und eventuell mit Alexander Madlung vom VfL Wolfsburg) soll in der Rückrunde vieles besser werden. Auch Nationaltorwart Robert Enke wird dann wieder dabei sein, sein Vertreter Florian Fromlowitz hatte zuerst zwischen guten und schlechten Leistungen gependelt bis er sich nach einer Notbremse selbst aus dem Verkehr zog. 32 Tore zeugen davon, dass er der Defensive wohl doch nicht den Rückhalt geben konnte, wie vielleicht ein Robert Enke, andererseits sind auch 20 geschossene Tore nicht berauschen, davon wie erwähnt fünf in einem Spiel. Doch auch in der letzten Saison kam die gute Phase der "Roten" erst im letzten Saisondrittel, vielleicht dieses Mal ja auch. Das Potenzial reicht eindeutig für mehr als den Abstiegskampf.

Noch einmal knapp 100 Kilometer westlich - wir sind fast im Ruhrpott - ist der DSC Arminia Bielefeld zu Hause. Seit mittlerweile fünf Jahren hält sich der "Abstiegskandidat Nummer eins" in der Liga, dieses Jahr trennt die Ostwestfalen aber nur ein Punkt vom Relegationsplatz. Und sie wissen ganz genau bei wem sie sich bedanken müssen: 15 Tore hat die Arminia erzielt, zehnmal leuchtete danach der Name von Arthur Wichniarek an der Anzeigetafel auf. Eine Quote, wie sie es in der Bundesliga kein zweites Mal gibt, in den letzten Jahren wohl auch selten gab. Mittlerweile hat Bielefelds Bundesliga-Rekordtorschütze seinen Vertrag bis 2011 verlängert und will weiterhin für seinen Club auf Torejagd gehen, zur Not auch in Liga zwei. Soweit denkt man in Bielefeld aber nicht, vier Teams sind momentan schlechter als der DSC, das würde am Ende der Saison für ein weiteres Jahr Bundesliga reichen.
Doch die "andere Wahrheit" ist: kein anderer Spieler hat auch nur zweimal getroffen. Schon wird der Ruf nach einem anderen alten Bekannten laut. Delron Buckley schoss in der Saison seines Lebens einst 15 Tore für Bielefeld, nun soll er "König Arthur" entlasten. Als Konterstürmer passt er gut ins Bielefelder-System und der Verein hat auch schon längst Interesse signalisiert. Doch mit Borussia Dortmundscheint Buckley vor drei Jahren auch in eine neue Gehaltsklasse gewechselt zu sein, sodass der Transfer am Geld zu scheitern scheint. In Dortmund legt man ihm aber keine Steine in den Weg, dort kommt er schon seit einiger Zeit nur sporadisch zum Einsatz.
Fast untergegangen wäre, dass Bielefelds aktuelle Nummer eins, Dennis Eilhoff, nach kicker-Noten bester Torhüter der Liga ist. Zuvor war er an die TuS Koblenz in die zweite Liga ausgeliehen und hatte dort schon gute Leistungen gezeigt. Doch da die DSC-Abwehr viele Chancen zulässt, kann sich der 26-jährige nun noch mehr auszeichnen. Es wird spannend, wer im Tor stehen wird, wenn der eigentliche Stammkeeper Rouwen Fernandez nach seinem Kreuzbandriss wieder spielen kann. Hobby-Manager dürften auf den Deutschen hoffen, denn wann gibt es mal einen sicheren Punktelieferanten für so wenig Geld?

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